Schmusegeschichte
Allgemein/Internet Februar 5th, 2007Vor langer Zeit lebten die Menschen auf dieser Welt zufriedener und glücklicher als heute. Jedem wurde damals bei der Geburt ein kleiner und warmer Sack mit auf den Lebensweg gegeben. In diesem Sack befanden sich unzählige warme Schmuser, die jeder seinen Mitmenschen verschenken konnte, wann es ihm beliebte. Die Nachfrage nach diesen Schmusern war groß, denn wer einen geschenkt bekam, fühlte sich am ganzen Körper wohlig warm und liebkost. Wenn einer ausnahmsweise einmal zu wenig Schmuser geschenkt bekam, lief er Gefahr, sich ein schlimme Krankheit einzuhandeln, die zu Verschrumpelung, Verhärtung und gar zum Tode führen konnte.
Aber zum Glück war es damals leicht, Schmuser zu bekommen. Immer, wenn einem danach war, konnte man auf einen anderen zugehen und um einen Schmuser bitten. Der andere holte selbstverständlich einen aus seinem Sack, und sobald man sich diesen Schmuser zum Beispiel auf die Schulter gelegt hatte, fühlt man sich wohl und bekam ein rundum gutes Gefühl. Die Menschen erbaten oft Schmuser voneinander; und da sie auch freigiebig verteilt wurden, war es kein Problem, genügend davon zu bekommen. Alle Menschen fühlten sich die meiste Zeit wohl, glücklich und liebgehabt, bis eines Tages eine Hexe darüber sehr böse wurde. Sie hatte nämlich einen großen Vorrat an Tinkturen und Salben für diejenigen, die tatsächlich einmal krank wurden, doch brauchte kaum jemand ihre Mittel. Sie begann deshalb den Menschen einzureden, daß ihnen die Schmuser bald ausgehen werden, wenn sie weiter so freigiebig damit sind. Und die Menschen glaubten ihr seltsamerweise.
Sie fingen an, über ihre Schmuser zu wachen und nicht mehr so großzügig damit umzugehen. Viele beobachteten neidisch ihr Mitmenschen, wenn diese anderen einmal einen Schmuser schenkten, wurden oft böse und machten ihnen Vorwürfe. Diese wollten ja ihren Eltern, Kindern und Partnern nicht wehtun und bemühten sich, anderen keine Schmuser mehr zukommen zu lassen. Die Kinder lernten das schnell von ihren Eltern: Sie merkten, daß es scheinbar falsch ist, seine Schmuser all denen zu verschenken, die danach Lust hatten.
Obwohl immer noch jeder in seinem Sack genügend Schmuser fand, holten die Menschen immer seltener einen hervor. Die Folgen waren schrecklich: immer mehr fühlten sich nicht mehr warm, glücklich und liebkost. Viele wurden krank und einige starben gar an Schmusermangel. Die Hexe konnte jetzt viele Arzneien verkaufen, merkte aber bald, daß sie gar nicht zu helfen schienen. Natürlich wollte sie auch wieder nicht, daß die Menschen starben; wer sollte denn dann ihre Mittelchen kaufen? Sie erfand also etwas Neues : Kalte Fröstler. Die Fröstler sahen genauso aus wie die Schmuser, nur gaben sie den Menschen kein warmes und liebkosenden Gefühl, sondern ein kaltes, fröstelndes. Aber sie ließen immerhin die Menschen nicht mehr verschrumpeln und sterben.
Wenn jetzt jemand einen warmen Schmuser haben wollte, konnten ihm die Leute, die Angst um ihren Schmusevorrat hatten, statt dessen einen Fröstler anbieten. Oft gingen zwei Menschen aufeinander zu in der Hoffnung, vom anderen einen Schmuser zu bekommen, doch dann überlegte es sich der eine oder andere nochmal, und am Ende gaben sie sich nur kalte Fröstler. Zwar starben kaum noch Menschen an Schmusermangel, weil sie ihn einigermaßen mit Fröstlern ausgleichen konnten, aber die meisten fühlten sie nicht mehr wohl, liefen verbittert und vom Leben enttäuscht umher.
Schmuser waren ungeheuer wertvoll geworden: Eltern ermahnten die Kinder, sich genau zu überlegen, wem sie einen Schmuser geben; Paare wachten eifersüchtig über den Schmusevorrat des anderen; Kinder neideten ihren Eltern die Schmuser, die sich diese gegenseitig gaben. Früher waren oft viele Menschen in Gruppen zusammengekommen, ohne sich darum zu kümmern, wer wem Schmuser schenkte. Jetzt schlossen sich alle zu Paaren zusammen und behielten mißtrauisch ihre Schmuser für sich. Wer versehentlich oder weil er gerade Lust dazu hatte, einmal einem anderen einen Schmuser gab, fühlte sich auch gleich danach schuldig, weil er wußte, daß ihm sein Partner das übernehmen würde. Und wer keinen freigiebigen Partner finden konnte, mußte sich Schmuser kaufen, wenn er welche wollte, und für das Geld oeberstunden machen. Einige Leute wurden irgendwie beliebter als die anderen und bekamen eine Menge Schmuser, ohne selbst welche hergeben zu müssen. Sie verkauften dann ihre Schmuser zu hohen Preisen.
Ein paar ganz raffinierte Menschen hatten eine Idee: Sie sammelten kalte Fröstler, die ja recht billig waren und in Mengen zu haben waren und verkauften sie für viel Geld als warme Schmuser. Diese scheinbar warmen und flauschigen Schmuser waren in Wirklichkeit nichts weiter als Plastikschmuser oder Schmuserimitationen und schufen noch mehr Probleme. Sie hinterließen nach ihrem Gebrauch das Gefühl, etwas verpaßt zu haben, machten regelrecht süchtig danach, immer wieder und immer mehr davon zu kaufen. Viele starben schließlich, weil sie einfach zuviele Plastikschmuser verbraucht hatten. oeber diese Süchtigen regten sich zwar die „normalen“ Menschen furchtbar auf, aber sie konnten weder die Plastikschmuser aus der Welt schaffen noch das Bedürfnis danach. Allzuoft passierte es, daß sich zwei Menschen trafen, um warme Schmuser auszutauschen und ein gutes Gefühl zu bekommen, benützten aber dafür Plastikschmuser. Nach den ersten Minuten oder Stunden spürten sie dann, daß ihnen nur ein kaltes, fröstelndes und leeres Gefühl geblieben war, das sie so schnell wie möglich wieder loswerden wollten. Deshalb kauften sie schnell neue und gerieten in einen Kreislauf, aus dem sie alleine niemals wieder herausfinden konnten.
oeberhaupt gab es in dieser Zeit viel Verwirrung unter den Menschen. Keiner fand sich mehr so zurecht, wie es früher gewesen war. Und alle nur, weil die Hexe ihnen eingeredet hatte, es gäbe nicht genügend warme Schmuser!
Vor kurzem kam nun eine Frau zu uns, die offensichtlich noch nichts von der Hexe gehört zu haben scheint. Sie sorgt sich überhaupt nicht um ihren Schmuservorrat und verteilt sie so freigiebig, wie niemand sonst, sogar ohne darum gebeten worden zu sein. Man nennt sie die Hippiefrau.
Die Erwachsenen waren anfangs sehr verärgert, gibt doch diese Frau den Kindern die fixe Idee, es gäbe immer genügend Schmuser in ihren Säcken. Die Kinder mögen diese Frau sehr und lernen langsam wieder, daß es immer ausreichend Schmuser geben wird. Doch die Erwachsenen sind schon so verhärtet und festgefahren in ihren Vorstellungen, daß sie die Botschaft der Hippiefrau nicht begreifen. Jetzt wird sogar ein Gesetz erlassen, das den verschwenderischen Gebrauch von Schmusern unter Strafe stellt. Es soll die Kinder davor schützen, ihre Schmuser zu vergeuden.
Zum Glück kümmern sich nicht alle Kinder um dieses Gesetz, und wir können hoffen, daß auch die Erwachsenen sich langsam wieder an die Zeit erinnern, in der sich jeder wohl und liebgehabt fühlte, weil es warme Schmuser in Hülle und Fülle gab.
Werden wir endlich wieder damit beginnen, so viele Schmuser zu verschenken, wie jeder braucht? Fangen wir doch heute schon damit an, sooft wie möglich in unseren Schmusersack zu greifen!
Neue Kommentare