Eine Firma die einen Webkatalog betreibt und aus dem Raum Hamm kommt, hat mir heute einen Termin beim Landgericht Münster verschafft. Nunja, wie bei einem Auto gibts wohl beim Bloggen auch eine Art „Betriebsrisiko“.

Wie fühlt man sich als Blogger nun vor Gericht, was hat das Landgericht Münster mit einer Gerichtsshow aus dem Fernsehen gemeinsam und wieso endet es so oft vor Gericht in einem Vergleich? Zur Vorgeschichte: Ich erhielt eine Spam E-Mail (also unerwünschte Werbung per E-Mail), dessen genaue Herkunft ich jedoch nicht ermitteln konnte. (IP Adresse im Ausland, ungültige Absender Adresse). Die Spam Mail war so aufgemacht, dass ich davon ausging, dass der Absender eben jene Firma war, die einen Eintrag in Ihren Webkatalog bewerben wollte, da im Inhalts-Teil der E-Mail URL und E-Mail Adresse, sowie Anschrift und Geschäftsführer der Firma genannt wurden.

Ich verfasste nun darüber einen Blog-Artikel, die Firma wurde auf mich aufmerksam. Trotz immer wieder erneuerten Versuchen von mir, eine einvernehmliche Lösung zu finden, beharrte die Firma (und später der Anwalt) darauf, dass die Mail von einem „Server in China“ stamme, die Firma keine Spam Mails verschicke, sondern dies ein böswilliger Konkurrent gewesen sei. (Der muss dann auch von einem der vielen Werbebanner den Tracking-Code genommen haben und in den Link gepackt haben. Hintergrund: Im Internet werden viele Marketingmaßnahmen, so z.B.auch bei Amazon, über genau solche Tracking-Codes nach gehalten, um die Provision für den jeweiligen Vermittler zuordnen zu können.)

Die Mail bot ich auch an, um mit zu helfen den tatsächlichen Urheber zu ermitteln, doch daran bestand kein Interesse. Auch mein Angebot, mal vorbei zu kommen, und mit denen zu reden war nicht von Interesse.

Wir einigten uns schließlich auf eine Gegendarstellung in meinem Blog – die sah dann so aus, dass die Firma durch ihren Anwalt einen neuen Blogartikel verfassen ließ, den ich als Ersatz einstellen sollte, und meinen dafür löschen sollte.
Darauf wollte ich nur soweit eingehen, dass ich die Gegendarstellung auch als solche veröffentlichen wollte.

Dies führte dann zur Klage vor dem Landgericht Münster, Streitwert 25.000 Euro. Wenn es so weit gekommen ist, brennt die Luft. Landgericht bedeutet: Anwaltszwang. Selbst verteidigen nicht möglich und von den damit verbundenen Kosten muss ich ja nicht reden.

Der Gerichtstermin selber war … aufregend. Aber insgesamt interessant, lehrreich und „tat nicht weh“. Ich würde jedem empfehlen, sich mal ein oder zwei öffentliche Verhandlungen anzusehen – sollte vielleicht in die allgemeine Schulbildung eingebracht werden. Es muss ja nicht unbedingt die eigene sein, die spart man sich doch besser.

Das Auftreten der klagenden Partei war freundlich, der Richter war ebenfalls freundlich. Der Richter!
Ich weiß gar nicht wo ich da am besten anfange oder aufhöre. Ich war schlicht begeistert von der Ausstrahlung zum einen, von der Offenheit, Ruhe und Objektivität zum anderen. Ich hatte das Gefühl, dass beide Seiten ausgiebig Zeit hatten, ihre Position klar zu machen, Argumente und Beweise vorzubringen. Der Richter machte ebenfalls klar, dass er sich sowohl mein Blog, als auch das Angebot der Klägerin im Vorfeld angeschaut hat. (Uiii – mein Blog! 🙂 )
Als der Kläger sagte, die E-Mail käme nachweislich von einer Absender Adresse, die nicht dem Kläger zuzuordnen sei, erklärte ich kurz etwas zur Funktionsweise von SMPT und den damit verbundenen Fälschungsmöglichkeiten. Der Richter kürzte das mit den Worten ab „Mir ist durchaus bekannt, wie E-Mail funktioniert.“. Da war ich etwas peinlich berührt, ich wollte auf keinen Fall den Eindruck erwecken dass ich das Gericht für uninformiert halte.

Auch bei anderen Gelegenheiten, z.B. als mir vorgeworfen wurde, dass ich Google manipulieren könne, Google gar nur ein „Roboter sei, der Befehle ausführt“ und mir so bessere Positionen als das Angebot der Kläger verschafft hätte – der Richter erklärte dann knapp und trocken wie Google funktioniert.
Da war nicht nur ich kurz baff. Auch die Anmerkung, dass das Gericht jeden Tag unter unerwünschten E-Mails leidet und auch hier oft falsche Absender verwendet werden, zerstreute meine letzten Befürchtungen, dass die Situation aufgrund von unzutreffender oder einseitiger Darstellung der Gegebenheiten im Internet für mich sehr nachteilig aussehen könnte.

Nachdem die Sachlage dann vorgestellt war, gab es ein paar Kommentare zur groben Lageeinschätzung.
Positiv: Grundsätzlich wurde mein Blogeintrag als Ausübung des Grundrechts zur freien Meinungsäußerung gewertet. Problematisch war dabei, dass ich in dem Beitrag den Eindruck erweckte, dass die Spam Mail eben von der Klägerin versandt wurde. Und das ist eben durch mich nicht zu beweisen.

Ich kann nun verstehen, wieso so viele Berichte von Gerichtsprozessen mit einem Vergleich enden – gerade wenn es darum geht, dass Privatpersonen (Blogger) vor Gericht stehen. Für mich selber war die Situation äußerst stressig. Ich habe die Nacht davor kaum geschlafen und war sehr, sehr nervös. Es ging mir nun nicht mehr nur um Geld – der Zeitaufwand, die Nerven und der noch entstehende Ärger sollte enden. Am besten hier und jetzt, denn ich habe mit meiner Lebenszeit besseres zu tun, als diese aufzubringen um vor Gericht zu sein.

Vielleicht ist es auch ein wenig mit Pokern zu vergleichen, doch Pokern und Glücksspiel sind nicht meine Sache. Ich bin sicher, es geht vielen anderen eben so. Inzwischen bin ich nicht mehr sicher, ob die Entscheidung eines Vergleiches nicht doch falsch war.
Insbesondere da ich somit auf einem Teil der Kosten sitzen bleibe, und dabei die Kläger sogar mehr bekommen haben, als ihnen selbst im besten Fall zugestanden worden wäre. (Ich habe mich verpflichtet den gesamten Blogbeitrag, der zu dem Streit geführt hat, zu löschen.)

Und was ist nun mit der erwähnten Parallele zur Gerichtsshow? Richter und Anwälte tragen in „echt“ ebenfalls Roben. Etwa genau da hört es dann auf. Keine Paragraphenschlacht, keine hochkochenden Emotionen. Eher das Gefühl bei jemandem zu sein, der unbefangen ist, der versucht eine gütliche Einigung herbei zu führen und die Parteien zu versöhnen. Und eine Atmosphäre von der ich mir wünsche, dass sie bei jeglichen Konflikten der Welt vorherrschen würde.

Update Ende 2010: Die Entscheidung war richtig. Das ganze hat damit ein Ende gefunden und ich habe für die Zukunft etwas daraus gelernt, zumindest diesen Fehler werde ich nicht noch einmal machen. Und ich betreibe mein Blog weiter – nun dessen bewusst, wie das Betriebsrisiko aussieht.